Alltag in Kiew: Von C. H. sie hat es auf Facebook geschrieben.
Arztbesuch. Die Ärztin ist besorgt über meinen Blutdruck. Während sie das geeignete Mittel für mich heraussucht, kommen wir ganz von selbst auf die schwierige Situation im Lande zu sprechen. „Ich habe solche Angst, dass es Krieg geben könnte. Wohin sollten wir dann fliehen? - Ich habe Russland so geliebt.“ sagt sie. „Sie müssen sich vorstellen, ich habe doch meine ganze Verwandtschaft dort. Aber jetzt… Diese Russen machen mir nur noch Angst. Ich rufe meine Verwandten an, und sofort sind sie in heller Aufregung, nötigen mir ihre Hilfe auf, flehen mich an, dass wir aus diesen entsetzlichen Umständen zu ihnen kommen sollen. Ich versuche, ihnen zu erklären, dass hier keine Hungersnot herrscht. Und dass natürlich jetzt, nachdem dieser Janukowitsch vertrieben ist, nicht sofort alles funktionieren kann, weil das Volk in einem solchen Maße bestohlen worden ist. Ist denn das normal, dass er und soundsoviele Regierungsmitglieder der Ukraine sich in Russland verstecken, damit von ihnen nicht gefordert werden kann, dass sie ihren unrechtsmäßigen Reichtum zurückgeben? - Aber das wollen die in Russland gar nicht hören! Die wollen in ihrem Glauben bleiben, dass hier alles drunter und drüber geht und wir hoffnungslos irgendwelchen Halsabschneidern ausgeliefert sind. Eine Cousine lebt in Sibirien. Sie liegt mir in den Ohren: <Wie kann man Euch bloß helfen> Ich sage: <Am besten, du rufst die ganze Verwandtschaft an und sagst ihnen, dass sie nicht glauben sollen, was in den Nachrichten erzählt wird. Wir müssen nicht gerettet werden.> Sie hat mir versprochen, dass sie das tut. Aber ob es was nützt?“
Ich sage: „Ich habe auch Angst vor einem Krieg. Aber ich höre andrerseits aus unserer Botschaft, dass es keinen Krieg geben wird. Und da sitzen doch Spezialisten.“ - „Gelobt seist du, Gott!“ sagt sie. "Mögen sie recht behalten. Doch warum ums Himmels willen das ganze Armeeaufgebot an unseren Grenzen? Warum? Um uns zu ängstigen? Mein Gott, was hab ich Russland geliebt. Aber jetzt streite ich mich per Telefon mit allen Verwandten. Wie können die nur so blind sein?“
Meine Ärztin ist eine Frau, die wirklich mit beiden Beinen im Leben steht. Die sonst die Kraft hat, uns Kranke aufzuheitern. Rein äußerlich wirkt sie auch jetzt gefasst und ausgeglichen.
Ich weiß nicht, muss man wirklich versuchen, Russland zu verstehen? Ich habe da so meine Zweifel…
Die Frau, die das Geschrieben hat, wohnt in Kiew.
Bin ich zu bunt für euch, seid ihr zu braun.